08.07.2024 ● OYA
Rentenpaket II: Chancen und Risiken
Die Bundesregierung plant mit dem Rentenpaket II, das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente auf dem aktuellen Stand zu halten. Langfristig sollen die finanziellen Mehrbelastungen der Beitragszahler durch neue Vermögen abgefedert werden. Ob dieser Plan aufgeht, ist jedoch ungewiss.
Aktuell erhält ein deutscher Rentner, der 45 Jahre lang durchschnittlich verdient und in die Rentenkasse eingezahlt hat, eine monatliche Rente von ca. 1.690 Euro. Das Alterseinkommen liegt somit bei 48 Prozent des derzeitigen Durchschnittsverdienstes, was im Fachjargon als Sicherungsniveau der Rente bekannt ist.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält diese Kennzahl mit seinem Entwurf zum Rentenpaket II im Blick. Laut bisherigen Prognosen der Bundesregierung sollte das Sicherungsniveau bis 2035 auf etwa 45 von aktuell 48 Prozent sinken, während der Rentenbeitragssatz von 18,6 auf 21,1 Prozent steigen würde.
Der demografische Wandel verschärft die Lage: Aktuell stehen 100 Beitragszahlern 52 Rentner gegenüber, in 15 Jahren werden es voraussichtlich 63 sein. Dies würde bedeuten, dass Rentner geringere Anpassungen ihrer Renten hinnehmen und Arbeitnehmer höhere Beiträge zahlen müssten.
Ein stabiles Sicherungsniveau löst keine Altersarmut
Das Rentenpaket II soll sicherstellen, dass die Renten im Einklang mit dem Durchschnittsverdienst steigen und das Sicherungsniveau bei 48 Prozent bleibt. Dies erweckt den Anschein, als würde das Armutsrisiko im Alter gesenkt. Das Sicherungsniveau gibt jedoch keine Auskunft über die individuellen Rentenansprüche, da diese von der persönlichen Erwerbsbiografie abhängen – also davon, wie lange jemand gearbeitet hat und welches Einkommen dabei erzielt wurde. Ebenso spielt die Summe aller Haushaltseinkommen eine Rolle, einschließlich der Rente des Ehepartners.
Schätzungen zufolge könnte der Beitragssatz zur Rentenversicherung bis 2035 auf 22,3 Prozent ansteigen. Die Beibehaltung des Sicherungsniveaus von 48 Prozent sei somit keine effektive Maßnahme gegen Altersarmut, sondern würde erhebliche Kosten verursachen.
Sollten die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin zu 77 Prozent aus Beiträgen und der Rest aus Steuermitteln finanziert werden, müsste der Bund seinen Zuschuss um 7 bis 8 Milliarden Euro erhöhen. Wie und in welcher Form die Steuerzahler zusätzlich belastet würden, stellt sich noch heraus.
Um die notwendigen Beitragseinnahmen zu sichern, wird die Regierung die Rentenbeiträge voraussichtlich stärker erhöhen müssen als bisher geplant: Der Beitragssatz zur Rentenversicherung könnte laut Schätzungen bis 2035 auf 22,3 Prozent steigen. Zwar plant die Ampelkoalition, den Beitragsanstieg ab 2036 zu bremsen, jedoch bleibt abzuwarten, ob dies gelingt.
Viele Unklarheiten - Ein kritischer Blick auf das Rentenpaket II
Ob dieser Plan aufgeht, ist jedoch nichts sicher. Der Bund beabsichtigt, steuerfinanzierte Darlehen zur Bildung des Stiftungsvermögens bereitzustellen– in diesem Jahr etwa 12 Milliarden Euro und einer jährlichen Steigerung von 3 Prozent in den kommenden Jahren. Zusätzlich sollen 15 Milliarden Euro aus den Vermögensbeständen des Bundes an die Stiftung übertragen werden, um bis 2035 insgesamt 200 Milliarden Euro zu erreichen.
Dies erfordert eine jährliche Anlagenrendite von etwa 4 Prozent, was angesichts vergangener Aktienmarktrenditen von über 8 Prozent realistisch erscheint. Allerdings muss der Bund sicherstellen, dass der Vermögenswert erhalten bleibt und ausreichend Liquidität vorhanden ist, um spätere Zahlungen an die Rentenkasse zu gewährleisten. Diese Risikominimierung könnte die Renditechancen jedoch verringern.
Ab 2036 sollen jährlich 10 Milliarden Euro aus dem Stiftungsvermögen an die Rentenkasse fließen, was eine Rendite von 5 Prozent erfordert. Selbst mit diesen Zuschüssen könnte der Beitragssatz über das erwartete Niveau von 22,3 Prozent steigen, da die Bevölkerung weiter altert. Daher wäre es notwendig, dass der Bund zusätzliche Vermögenswerte schafft, um die Situation auszugleichen. Ob zukünftige Bundesregierungen dies aus Steuermitteln fortsetzen können und wollen, ist fraglich. Falls nicht, würden die Beitragszahler nach 2035 erneut belastet werden.